Proteinarme Diät verbessert Gesundheit von Mäusen

Schon lange weiß man um gesundheitsförderliche Effekte von Diäten mit reduzierter Nahrungsangebot. In jüngeren Jahren aber mehren sich Hinweise darauf, dass ein Großteil der Vorzüge bereits durch eine proteinarme Ernährung erzielt werden kann. Bemerkenswert ist, dass solche Beobachtungen nicht auf eine Art beschränkt sind, sondern an einer Reihe von Labortieren wie Mäusen, Ratten, Würmern und Fliegen möglich sind (https://www.cell.com/trends/endocrinology-metabolism/fulltext/S1043-2760(14)00127-1, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(15)00186-5, https://sci-hub.se/10.1097/MCO.0000000000000239). Dies legt nahe, dass der zugrundeliegende Wirkmechanismus allen Tieren gemein ist und auch unsere Gesundheit durch Diäten mit wenig Protein positiv beeinflusst werden könnte (https://academic.oup.com/advances/article/10/Supplement_4/S340/5624067).

Proteinarme Ernährung verlängert Lebensdauer

Eine klassische Diät, bei der lediglich die Menge des angebotenen Futters reduziert wird, aber seine Zusammensetzung unverändert bleibt, führt in den meisten Organismen zu einer Verlängerung der Lebensdauer. Überraschenderweise bleibt der Effekt aber bestehen, selbst wenn die gefütterten Mengen an Kohlenhydraten, Fetten oder Vitaminen auf ihre ursprünglichen „normalen“ Level erhöht werden. Offensichtlich wird die lebensverlängernde Wirkung einer Diät also nicht wesentlich durch die Kalorienreduktion verursacht, sondern durch Proteinrestriktion. Sehr eindrücklich konnte dies zuerst in einem Experiment an Fruchtfliegen (Drosophila) demonstriert werden: die Lebensdauer der Fliegen konnte durch proteinarme Diäten konsistent um etwa 10% verlängert werden – ganz egal, ob die Menge an Kalorien, Kohlenhydraten oder Fetten beibehalten wurde oder nicht; entscheidend war bloß eine reduzierte Menge an Protein (https://www.nature.com/articles/nature08619). Es konnte sogar ein zusätzlich lebensverkürzender Effekt beobachtet werden, wenn die gefütterte Proteinmenge über das Maß einer Standard-Diät hinausging (https://www.nature.com/articles/nature08619 Supplementary Information).

Die Verlängerung der Lebensdauer durch eine proteinarme Ernährung wird durch Studien an Ratten (https://sci-hub.se/10.1016/0047-6374(88)90014-0) und Mäusen (https://sci-hub.se/10.1093/geronj/31.2.144) bestätigt: bei Reduktion des Proteinanteils im Futter von 21% auf 12% stieg die Lebenserwartung von Ratten um 16% (https://sci-hub.se/10.1016/0047-6374(88)90014-0), und eine Verringerung des Proteinanteils von 26% auf 4% ließ Mäuse bis zu 24% länger leben als normal (https://sci-hub.se/10.1093/geronj/31.2.144).

Tiere leben nicht nur länger, sondern auch gesünder

Jüngere Forschung zeigt, dass Mäuse durch eine proteinarme Diät nicht bloß länger leben, sondern sich auch besserer Gesundheit erfreuen können. Im Mittelpunkt steht eine Verbesserung des Glukose-Stoffwechsels, die sich in reduzierten Insulin- und Blutzuckerspiegeln zeigt (sowohl bezogen auf das Basislevel als auch auf die Ausschüttung infolge von Nahrungsaufnahme); quasi eine Vorbeugung von Insulinresistenz und Diabetes. Beobachtet wurden aber auch eine Erhöhung des Kaloriengrundumsatzes und eine leichte Verringerung des Körperfettanteils – und das selbst dann, wenn nur der relative Proteinanteil im Futter niedrig gehalten wurde, aber die Tiere unbegrenzt viel (ad libitum) davon fressen durften und daher mehr Kalorien zu sich genommen hatten als die Kontrollgruppe (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2212877818307257, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(15)00505-7, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(16)30733-1).

Die gesundheitlichen Vorteile einer proteinarmen Diät zeigen sich in einer weiteren Studie mit bemerkenswerter Deutlichkeit beim Kampf gegen Krebs (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00062-X): junge, ausgewachsene Mäusen sind entweder mit einer proteinreichen (18% Protein) oder einer proteinarmen Futtermischung (4-7% Protein) gleicher Kaloriendichte und -menge gefüttert worden. Um den Einfluss der Proteinzufuhr auf Krebswachstum zu untersuchen, sind jedem Tier 20 000 Krebszellen implantiert worden: Männchen sind Hautkrebszellen injiziert worden und Weibchen Brustkrebszellen. Als Folge haben sich in den meisten Tieren Tumore gebildet, die in den darauffolgenden drei Monaten gewachsen sind. Bei Tieren, die weniger Protein zu sich genommen haben, sind die Haut- bzw. Brust-Tumore in dieser Zeit allerdings nur etwa 22% (bzw. 55%) so groß gewachsen wie in der Kontrollgruppe mit proteinreicher Diät. In 10% (bzw. 20%) der Mäuse mit proteinarmer Ernährung hat sich nicht einmal ein Tumor gebildet, den die Wissenschaftler ausmessen konnten, während in der Gruppe proteinreicher Nahrung alle Tiere erkrankt sind.
Diese Studie erlaubt aber keine Aussage, ob proteinarme Ernährung die Neubildung von Krebs beeinflusst, sondern betrachtet nur die Wachstumsrate bestehender Tumore.

Wie wirkt Proteinrestriktion im Körper?

Proteinarme Diäten führen in vielen unterschiedlichen Lebewesen zu Verbesserungen der Gesundheit oder sogar einer Verlängerung der Lebensdauer. Dies lässt sich damit erklären, dass es einen sehr ursprünglichen Wirkmechanismus gibt, der in allen untersuchten Organismen gleichermaßen vorliegt (https://www.cell.com/trends/endocrinology-metabolism/fulltext/S1043-2760(14)00127-1, https://sci-hub.se/10.1097/MCO.0000000000000239). Tatsächlich gibt es einige Enzyme, Rezeptormoleküle und Stoffwechselprozesse, die artübergreifend vorliegen und bestimmen, wie der Körper auf Proteinzufuhr reagiert (https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev-biochem-060815-014422, https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(19)30239-7/fulltext, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0047637418300794, https://www.nature.com/articles/s41580-021-00411-4). Als wesentliche Mechanismen, über die eine verringerte Proteinaufnahme die Gesundheit beeinflusst, wurden insbesondere identifiziert: das Enzym mTOR, welches bei Proteinarmut zelluläre Aufräum- und Recyclingprozesse aktiviert, und das „Fasten-Hormon“ FGF21, welches den Stoffwechsel umstellt und beispielsweise die Fettverbrennung anregt.

mTOR als Schalter zwischen Wachstum und Autophagie

Eine zentrales Molekül, das abhängig vom Nährstoffangebot in den Zellen verschiedene Prozesse aktiviert, ist das Enzym mTOR (https://sci-hub.se/10.1038/s41580-019-0199-y, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(17)30182-4, https://www.nature.com/articles/s41556-018-0205-1, https://www.nature.com/articles/nature11861). Bei hoher Protein- und Energiezufuhr wird mTOR aktiviert und schaltet die Zelle in einen „Wachstum“-Modus; fehlen diese Nährstoffe hingegen, bleibt mTOR inaktiv und erlaubt Recycling-Programm aktiviert, die sogenannte Autophagie.

In einem solchen Autophagie-Prozess werden Teile des Zellplasmas und darin befindlicher Moleküle mit einer Membran umhüllt und später unter Einwirkung von Lysosomen in Einzelteile zerlegt, die danach wieder zum Bauen neuer Moleküle zur Verfügung stehen (https://link.springer.com/article/10.1007/s00726-014-1765-4, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(11)00828-2). In diesem Prozess werden auch verklumpte oder fehlerhaft gefaltete und damit funktionsuntüchtige Proteine aufgelöst, die ansonsten zu einer Fehlfunktion der Zellen hätten führen können. Durch niedrige Aktivitätlevel von mTOR wird dem Körper also Gelegenheit gegeben, diesen Protein-Müll aufzuräumen, sodass letztendlich Krankheiten vorgebeugt wird (https://www.nature.com/articles/s42255-019-0162-4).

Die Aktivität von mTOR wird zum einen durch hohe Level von IGF-1 stimuliert, einem insulin-ähnlichen Hormon (insulin-like growth factor), das ein hohes Energieangebot signalisiert (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00062-X). Zum anderen sind zur Aktivierung verschiedene Aminosäuren nötig (https://www.nature.com/articles/nrm3522, https://www.nature.com/articles/cr2015146, https://www.nature.com/articles/s41556-018-0205-1, https://sci-hub.se/10.1038/s41580-019-0199-y), welche mit dem Protein über die Nahrung aufgenommen werden. Durch eine proteinarme Diät sinkt die Menge an verfügbaren Aminosäuren und weniger prominent auch die Konzentration an IGF-1, wodurch die Aktivität von mTOR abnimmt und Autophagie-Prozesse ungestört ablaufen können.

FGF21 ist verantwortlich für besseren Stoffwechsel

Ein weiteres Molekül, das eine zentrale Rolle im Wechselspiel zwischen Nährstoffverfügbarkeit, Stoffwechsel, und Langlebigkeit einnimmt, ist FGF21, ein fibroblast growth factor (https://sci-hub.se/10.1146/annurev-physiol-021115-105339, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphys.2019.00419/full, https://www.nature.com/articles/s42255-021-00354-2). Dieses in der Leber produzierte Hormon ist gewissermaßen ein Gegenspieler von Insulin: das Einnehmen von kohlenhydrathaltiger Nahrung regt die Ausschüttung von Insulin und verwandten Hormonen an, was dem Körper signalisiert: „es ist viel Energie vorhanden; speichere Nährstoffe als Reserven für schlechte Zeiten!“ – Als Folge davon werden Kohlenhydrate letztendlich als Glykogen in Leber und Muskeln gespeichert, während Fettsäuren in Fettzellen eingelagert werden. FGF21 hingegen signalisiert Nährstoffarmut oder Stress und sorgt durch Steigerung der Aktivität von Glukose-Transportern für erhöhte Aufnahme von Zucker in Muskeln und Fettgewebe (https://www.jci.org/articles/view/23606) und bewirkt auf diese Weise eine Absenkung des Blutzuckerspiegels und eine Verbesserung der Insulinsensitivität (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(07)00130-1) sowie eine Anregung des Fettstoffwechsels. Ein solches Verhalten ist auch typisch für einen ketogenen Stoffwechsel (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(07)00129-5) wie er sich bei kohlenhydratarmer Ernährung einstellt. FGF21 wird aber auch durch Fasten aktiviert (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(07)00130-1, https://www.jci.org/articles/view/83349) oder genereller als Reaktion auf Stress (https://doi.org/10.4093/dmj.2014.38.4.245); und es steht in engem Zusammenhang mit der Regulierung der Körpertemperatur und einem Winterschlaf-ähnlichen Zustand (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(07)00130-1, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00006-0).

Ein erhöhtes Level an FGF21 kann bereits die Lebensdauer von Mäusen und anderen Tieren um etwa 30% verlängern (https://elifesciences.org/articles/00065, https://atm.amegroups.com/article/view/35989/html). Für diesen Effekt ist nicht einmal das Ausschalten von mTOR erforderlich (https://elifesciences.org/articles/00065); stattdessen scheint FGF21 durch Blockieren von Wachstumshormon GH (growth hormone) und insulin-ähnlichem Wachstumsfaktor IGF-1 zu wirken (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(08)00150-2). Desweiteren zeigen Studien, dass FGF21 für die lebensverlängernde Wirkung von proteinarmer Ernährung verantwortlich ist (https://www.nature.com/articles/s41467-022-29499-8, https://www.nature.com/articles/s41467-021-24074-z, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(16)30798-7). Auf zellulärer Ebene wird die Abnahme verfügbarer Aminosäuren zunächst vom Proteinrezeptor GCN2 registriert, welcher über das Molekül ATF4 schließlich FGF21 aktiviert (https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(16)30798-7). Interessanterweise gibt es auch Hinweise darauf, dass auch Darmbakterien an der Aktivierung von FGF21 als Folge proteinarmer Ernährung beteiligt sind, und dass diese auf lösliche Ballaststoffe wie Inulin in der Ernährung angewiesen sind, um letztendlich FGF21-Level zu erhöhen und gesundheitsförderliche Effekte hervorzurufen (https://www.nature.com/articles/s41467-021-24074-z).

Protein ist nicht gleich Protein

In den Untersuchungen, wie sich eine Verringerung der Proteinmenge in der Nahrung auf die Gesundheit von Mäusen und anderen Tieren auswirkt, lässt sich noch genauer hinschauen und je nach Zusammensetzung der enthaltenen Proteine unterscheiden. Proteine sind sehr große Moleküle, die aus vielen Aminosäuren zusammengesetzt sind, und bei der Aufnahme von Nahrung über den Magen-Darm-Trakt werden die Proteine zunächst wieder in einzelne Aminosäuren aufgespalten. Daher ist zu erwarten, dass die Auswirkungen von Protein in unserer Diät auf unsere Gesundheit von der genauen Aminosäurenzusammensetzung abhängt.

Überschuss an essentiellen Aminosäuren verkürzt das Leben

Durch Vergleich der Auswirkungen von verschiedenen Diäten mit unterschiedlichen Aminosäureprofilen konnten ForscherInnen sowohl in Studien an Fruchtfliegen (https://www.nature.com/articles/nature08619) als auch an Mäusen (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/acel.12796, https://www.nature.com/articles/s41467-020-16568-z) feststellen, dass sich die lebensverlängernden Effekte einer proteinarmen Ernährung bereits durch Weglassen von essentiellen Aminosäuren in der Diät reproduzieren lässt. Auch in diesen Studien unterstützen Blutwerte sowie Gewebeproben und Funktionsmessungen von Herz, Muskeln und Nieren die Beobachtung, dass nicht nur die Lebensdauer, sondern auch die körperliche Gesundheit von einer Diät mit reduzierter Menge an essentiellen Aminosäuren profitieren kann (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/acel.12796).

Dieser Zusammenhang erstaunt auf den ersten Blick: essentielle Aminosäuren sind diejenigen Protein-Bausteine, die Tiere bzw. Menschen nicht selbst bilden können; diese müssen daher über die Nahrung aufgenommen werden. Naiverweise würde man denken, dass sich deshalb ein Mangel an essentiellen Aminosäuren negativer auf die Gesundheit auswirkt als ein Mangel an nicht-essentiellen Aminosäuren. Dieses Paradox lässt sich zum einen durch genauere Betrachtung der molekularen Wirkmechanismen und beteiligten Aminosäurerezeptoren lösen, zum anderen erklärt es sich durch die positiven Auswirkungen von Protein-Recycling durch Autophagie. Während ein Mangel an nicht-essentiellen Aminosäuren durch erhöhte körpereigene Produktion dieser Moleküle ausgeglichen werden könnte, müssen beim Fehlen von essentiellen Aminosäuren diese durch Recycling von alten und fehlerhaften Proteinen zurückgewonnen werden. Auf diese Weise wird quasi Protein-Müll aus den Zellen entfernt, der sich ansonsten mit zunehmendem Alter angesammelt hätte.

Methionin-arme Diät hält Mäuse jung

In weiterführenden Experimenten konnte sogar eine einzige essentielle Aminosäure ausfindig gemacht werden, die für einen Großteil der beobachteten Effekte verantwortlich war: Methionin. Eine Ernährung mit reduziertem Methioningehalt von 0.15% statt 0.43% hat Mäuse etwa 10% länger leben lassen (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1474-9726.2005.00152.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/acel.12796), und Ratten lebten mit 0.17% statt 0.85% Methionin in ihrem Futter sogar bis zu 30% länger (https://academic.oup.com/jn/article-abstract/123/2/269/4724016, https://sci-hub.se/10.1096/fasebj.8.15.8001743). Eine Methionin-reduzierte Diät hat bei Mäusen außerdem das Wachstum von Darmkrebs verlangsamen und die Erfolge von Chemotherapien und Bestrahlung signifikant verbessern können (https://www.nature.com/articles/s41586-019-1437-3). Auch eine Unterstützung der Immunabwehr durch T-Helfer-Zellen scheint durch Verringerung der Methionin-Zufuhr möglich zu sein (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(20)30006-1),

Die Wirkung von Methioninrestriktion erfolgt ähnlich einer generellen Proteinrestriktion über erhöhte FGF21-Level und niedrigere Konzentrationen von IGF-1, Insulin und Blutzucker (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1474-9726.2005.00152.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/acel.12238); die Verbesserung der Blutwerte trat zum Teil sogar schon innerhalb von nur 48 Stunden nach Umstellung der Futterzusammensetzung ein (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/acel.12238). Als potentielle zusätzliche Wirkmechanismen kommen aber auch eine erhöhte Glutathion-Konzentration (GSH) in Frage (https://sci-hub.se/10.1096/fasebj.8.15.8001743) sowie die Besonderheit von Methionin als einzige Schwefel enthaltende Aminosäure und der damit verbundene Schwefelkreislauf im Körper (https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(14)01633-X, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/acel.12796).

Einfluss der BCAA: Leucin, Isoleucin, Valin

Eine andere Gruppe essentieller Aminosäuren, die vermehrt im Fokus der Forschung steht, sind verzweigtkettige Aminosäuren, kurz: BCAA (branched chain amino acids). Zu diesen BCAA zählen nur drei Aminosäuren: Leucin, Isoleucin und Valin; sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht wie alle anderen Aminosäuren ausschließlich in der Leber verstoffwechselt werden, sondern auch in Muskelgewebe (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphys.2021.702826/full, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1046/j.1440-1746.2000.02205.x, https://www.hindawi.com/journals/amb/2014/364976/, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/acel.13626, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(18)30645-4). Allerdings sind erhöhte Konzentrationen von BCAA im Blut nicht nur korreliert mit Insulinresistenz und anderen Krankheitsbildern (https://doi.org/10.1042/BSR20180127, https://www.nature.com/articles/s41531-022-00312-z, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00065-5), sondern auch kausal beteiligt (https://www.nature.com/articles/s42255-019-0059-2): beispielsweise kann eine BCAA-arme Diät Insulinsensitivität in fettleibigen Mäusen wiederherstellen und ihren Fettabbau beschleunigen (https://physoc.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1113/JP275075, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(21)00166-2, https://www.nature.com/articles/nchembio.1961); sie verbessert aber auch den Stoffwechsel in normalgewichtigen Tieren und ist für einen Teil der lebensverlängernden Wirkung von proteinarmen Diäten verantwortlich (https://www.nature.com/articles/s43587-020-00006-2, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(16)30733-1, https://academic.oup.com/biomedgerontology/article/75/1/24/5395964). Für manche dieser Effekte scheint aber nicht die absolute Menge an aufgenommenen BCAA verantwortlich zu sein, sondern lediglich ihr Verhältnis zu anderen Aminosäuren (https://www.nature.com/articles/s42255-019-0059-2, https://www.nature.com/articles/s41467-020-16568-z).

Die Wirkung von branched chain amino acids auf Stoffwechsel und Gesundheit wird insbesondere durch mTOR vermittelt. Dieses ist mit Rezeptoren für einige spezifische Aminosäuren ausgestattet: Leucin ist (neben Arginin) beispielsweise besonders effektiv in der Aktivierung von mTOR (https://www.nature.com/articles/d41586-021-01943-7, https://www.nature.com/articles/s41467-020-16886-2); und die Präsenz weiterer essentieller Aminosäuren steigert die Effektivität der mTOR-Aktivierung zusätzlich (https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/ajpcell.00374.2015).

Im direkten Vergleich führt aber eine Reduktion des Methionin-Anteils in der Ernährung von Mäusen zu einer stärkeren Erhöhung von FGF21 und deutlicheren Verbesserung des Fettstoffwechsels als eine Verringerung des Leucin-Anteils im Futter (https://www.nature.com/articles/s41598-017-10381-3). Erstaunlicherweise scheint selbst eine Reduktion von Isoleucin stärkeren Einfluss auf den Stoffwechsel zu haben als der Anteil an Leucin (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(21)00166-2, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2022.10.06.511051v1.abstract). Es gibt sogar einige Studien, die einen insgesamt positiven Effekt von erhöhter Leucin-Zufuhr über die Nahrung berichten (https://doi.org/10.2337/db07-0123, https://pubs.rsc.org/en/content/articlehtml/2021/fo/d1fo00341k, https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/ajpendo.00198.2012). Die gesundheitsförderlichen Effekt von Leucin könnten auf eine Steigerung der Aktivität von AMPK, Sirtuinen und NAD zurückzuführen sein (https://www.hindawi.com/journals/jnme/2014/239750/, https://faseb.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1096/fasebj.26.1_supplement.251.3, https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/ajpendo.00198.2012, https://www.hindawi.com/journals/anu/2022/7285851/). Diese Wirkkette auf Zellebene wird normalerweise durch Nährstoffarmut aktiviert und erhöht die Reparaturfähigkeit von DNA. Es ist denkbar, dass die Nettobilanz der Gesundheitsauswirkungen von Leucin auch von dem generellen Energie- und Nährstoffangebot abhängt und daher nicht alle Studien konsistente Ergebnisse zeigen (https://www.mdpi.com/2072-6643/12/5/1299, https://link.springer.com/article/10.1007/s00726-015-2067-1, https://academic.oup.com/jn/article-abstract/112/9/1688/4754784).

Fazit

Die Studien an Mäusen und anderen Tieren haben einvernehmlich Verbesserungen der Gesundheit durch proteinarme Ernährung berichten können, bis hin zu einer Verlängerung der Lebensdauer und Vorbeugung von Krankheiten. Die dafür verantwortlichen molekularen Wirkmechanismen sind im ganzen Tierreich wiederzufinden und auch bei uns Menschen; daher wäre es plausibel, wenn die Ergebnisse auch auf uns übertragbar wären.

Es besteht nach wie vor Forschungsbedarf, um zu klären, wie sich körperliche Aktivität auf den Proteinbedarf und die Auswirkungen proteinarmer Ernährung auswirkt. Sport alleine verbessert bereits den Stoffwechsel und beugt Krankheiten vor, sodass der Unterschied zwischen verschiedenen Ernährungsmustern vermutlich weniger deutlich ausfallen wird. Auf der anderen Seite erhöhen Bewegung und Krafttraining sowohl den Bedarf an Kalorien zur Energiebereitsstellung als auch an Proteinen zum Muskelaufbau und -erhalt. Auf zellulärer Ebene übernimmt mTOR die Rolle eines Schalters, der zwischen „Aufräumen und Reparieren“ und „Wachstum und Muskelaufbau“ entscheidet und sich am Angebot an verfügbaren Aminosäuren ausrichtet. Was ist die optimale Strategie, altersbedingten Muskelabbau zu verhindern, aber trotzdem von den Reparatur- und Recyclingmechanismen der Zellen zu profitieren?

Ein Kompromiss: periodic fasting-mimicking diets

Zwar ist es nicht möglich, von den Stoffwechsel-Verbesserungen durch eine proteinarme Ernährung zu profitieren und gleichzeitig Muskeln aufzubauen, da hierfür entgegengesetzte Aktivitäten des mTOR-Enzyms erforderlich wären; ein regelmäßiges Wechseln zwischen Wachstumsmodus und Sparprogramm stellt aber eine sinnvolle Alternative dar. Hierzu haben ForscherInnen einen Ernährungsplan entwickelt, den sie „periodic fasting-mimicking diet“ (FMD) nennen, also „regelmäßige Fasten-ähnliche Diäten“ (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(15)00224-7, https://academic.oup.com/advances/article/10/Supplement_4/S340/5624067). Die Idee ist, für etwa wenige Tage lang größtenteils auf Protein (und auch Kohlenhydrate) zu verzichten, um in dieser Zeit die Insulinsensitivität zu erhöhen, den Fettstoffwechsel anzuregen, und das durch mTOR kontrollierte Autophagie-Programm zu aktivieren, welches zellulären Protein-Müll aufräumt und recycled. Danach darf wieder normal nach Belieben gegessen werden, um mittelfristig Muskeln aufbauen zu können und den Protein-Bedarf der Organe auch langfristig decken zu können. Die Diät-Tage sollten regelmäßig (beispielsweise zweimal pro Monat) wiederholt werden, um dauerhaft von den gesundheitlichen Vorteilen profitieren zu können.

In Studien an Mäusen haben die Tiere während der vier Tage dauernden Diäten ihre Blutwerte in gleichem Maße verbessern können wie Tiere, die drei Tage lang gar nichts gefressen hatten, daher die Bezeichnung „Fasten-ähnliche Diät“. Interessanterweise haben die Mäuse in der Zeit zwischen die Diäten so viel mehr gegessen als gewöhnlich, dass über einen Monat gemittelt eine gleich hohe Kalorienzufuhr erfolgte. Über mehr als 20 Fastenzyklen hinweg ist die Muskelmasse unverändert hoch geblieben, während der Fettanteil der Tiere halbiert wurde (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(15)00224-7). Am Ende jedes Diät-Zeitraums waren sehr signifikante Verbesserungen von Blutzucker- und Insulinspiegel sowie Erhöhungen des Fastenhormons FGF21 nachweisbar, die in der sich anschließenden Zeit unkontrollierter Nahrungsaufnahme wieder normalisiert wurden. Bemerkenswerteweise konnten in alten Tieren aber nachhaltige Verbesserungen in Immunsystem und Gehirnaktivität beobachtet werden (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(15)00224-7, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(16)30576-9, https://www.cell.com/cancer-cell/fulltext/S1535-6108(16)30265-3, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(17)30130-7, https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(22)01258-X).

Methionin-arme Diät durch vegane Ernährung annäherbar

Von den Ernährungsstudien an Mäusen lernen wir auch, dass sich ein Großteil der gesundheitlichen Vorteile lassen sich bereits mit einer methioninarmen Ernährung nachbilden lässt, ohne auf andere Aminosäuren verzichten zu müssen oder die gesamte Proteinaufnahme zu reduzieren. Im Vergleich verschiedener Lebensmittel sind diejenigen mit höchstem Methioninanteil am gesamten Protein allesamt tierischen Ursprungs. Ersetzt man Fleisch, Eier und Milchprodukte durch vegane Proteinquellen wie Kichererbsen, Soja und andere Hülsenfrüchte, lässt sich die Menge aufgenommenen Methionins reduzieren (https://link.springer.com/article/10.1007/s00726-018-2640-5, https://sci-hub.se/10.1016/j.ctrv.2012.01.004). Obwohl sich durch eine Umstellung auf pflanzenbasierte Kost keine so extreme Methionin-Restriktion umsetzen lässt, wie in den Studien mit Aminosäure-Pulvern als Nahrung möglich gewesen ist, konnten bei einem Wechsel von Käse-Protein auf Soja-Protein tatsächlich einige Verbesserungen der Gesundheit beobachtet werden (https://academic.oup.com/geronj/article-abstract/43/1/B5/557541, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2017.00035/full, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2018.02200/full, https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev-biochem-060815-014422). Generell ändert ein Umstieg von einer Mischkost mit Fleisch und Käse auf eine vegane Ernährung aber nicht nur das Verhältnis an aufgenommenen Aminosäuren, sondern auch den Anteil an ungesättigten Fettsäuren, was zusätzliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat.

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