Zwillingsstudie zu Vorteilen veganer Ernährung

Eine neue Studie vergleicht die Gesundheit von veganer Ernährung mit dem Konsum von Fleisch und tierischen Produkten. Um so viele Variablen wie möglich auszuschalten, wurden Zwillingspaare rekrutiert, sodass bei gleichen Genen und sehr ähnlichen Verhaltensweisen die Essgewohnheiten den einzigen Unterschied ausmachen würde. In der Studie hilft die vegane Ernährung beim Abnehmen sowie gegen hohes Cholesterin. Verantwortlich dafür sind aber vermutlich nicht pflanzliche Proteine, sondern die ballaststoffreiche Vollwertkost mit weniger gesättigten Fettsäuren. Die andere Versuchsgruppe mit omnivorer Ernährung ist allerdings nicht repräsentativ für den durchschnittlichen Fleischesser, weil auch diese Gruppe viel Gemüse und wenig hochverarbeitete Lebensmittel konsumiert.

Link zur Zwillingsstudie: https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/article-abstract/2812392

Probleme früherer Studien

Viele Studien, die unterschiedliche Ernährungsweisen vergleichen, sind reine Beobachtungsstudien. Das heißt, es werden viele Menschen nach ihren Essgewohnheiten befragt und entsprechend in Gruppen eingeteilt, zum Beispiel Fleischesser oder Vegetarier. Dann werden medizinische Gesundheitsmarker in den Gruppen erhoben und miteinander verglichen. Das Problem dieser Beobachtungsstudien ist, dass man für jeden Teilnehmer keine Möglichkeit hat, die selbst gewählte Ernährungsweise mit einer Alternative zu vergleichen. Diese Studien sind besonders anfällig für Störfaktoren, die mit der selbstgewählten Ernährungsweise korrelieren, aber auch unabhängig von dieser die Gesundheit beeinflussen. Beispielsweise passen viele Menschen nach der Diagnose von Krankheiten ihr Essverhalten an; und gesundheitsbewusste Menschen weisen neben einer besonderen Diät oft auch andere Verhaltensweisen auf, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken.

Randomisierte Studien umgehen das Problem der Störfaktoren, indem man zuerst die Gruppe der TeilnehmerInnen festlegt und für diese zuerst die Baseline-Werte misst. Dann wird zufällig ausgelost, welche Teilnehmer auf welche Ernährungsweise wechseln sollen. Drittparameter wie Vorerkrankungen, sportliche Betätigung oder anderes gesundheitsbewusstes Verhalten werden dadurch in allen Versuchsgruppen gleichmäßig verteilt sein. Aber auch randomisierte Studien können nicht aufdecken, ob manche Ernährungsweisen für Menschen mit bestimmter Genetik besser geeignet sind als andere.

Die nun vorliegende Studie an Zwillingen ermöglicht zum ersten Mal einen Blick auf die Auswirkungen unterschiedlicher Ernährungsweisen, ohne dass genetische Veranlagungen eine Bevorzugung von veganer oder fleischbasierter Diät vortäuschen könnten. Zudem waren die Zwillinge jedes Paares gemeinsam aufgewachsen und teilten viele Verhaltensweisen und Umwelteinflüsse, sodass die unterschiedliche Ernährung im Rahmen der Studie der einzige signifikante Unterschied darstellen würde.

Wer wurde untersucht?

21 Zwillingspaare (d.h. 42 Menschen) haben die Studie für den vollen Zeitraum von 8 Wochen mitgetragen. Es durften nur Zwillinge teilnehmen, die keine Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Herz-, Leber- oder Nierenerkrankungen hatten, schwanger waren, oder Medikamente einnahmen, die den Stoffwechsel beeinflussen könnten.

Durch die Wahl von Zwillingen für die randomisierte klinische Studie konnten genetische Einflüsse auf metabolische Präferenzen für vegane oder omnivore Ernährungsweisen ausgeschaltet werden. Außerdem zeigte eine Befragung der teilnehmen Zwillinge, dass mehr als zwei Drittel von ihnen ein sehr inniges Verhältnis pflegen und sogar nach wie vor zusammen leben. Das lässt annehmen, dass auch ein Großteil der Umwelteinflüsse beide Zwillinge gleichermaßen betrifft und sie sich auch in anderen Verhaltensweisen nicht signifikant unterscheiden. Auf diese Weise konnte erreicht werden, dass die Ernährung die einzige Ursache für mögliche Unterschiede zwischen beiden Zwillingen sein würde.

Wie stellt die neue Studie sicher, dass sich alle VersuchsteilnehmerInnen an die vorgegebenen Ernährungsweisen halten?

Die Studie beginnt mit einem Zeitraum von 4 Wochen, innerhalb denen alle TeilnehmerInnen alle Mahlzeiten fertig geliefert bekommen. Es war ihnen aber freigestellt, zusätzlich Snacks zu kaufen, für die vorab Empfehlungen gemäß den unterschiedlichen Ernährungsweisen gegeben wurden. Anschließend, in einer zweiten Phase der Studie, sollten die ProbandInnen für weitere 4 Wochen eigenständig dem Ernährungsplan folgen. Die Idee war, dass die TeilnehmerInnen in den ersten vier Wochen typische Zusammensetzungen von Mahlzeiten lernen konnten und sich von diesen Beispielgerichten abschauen, was in den nachfolgenden vier Wochen gekocht werden könnte.

Die Einhaltung der Essenspläne ist nur auf Grundlage von wöchentlichen Selbstberichten erfolgt, unterstützt von Essens-Tracking-Apps.

Woraus bestand die Diät?

Jeweils ein Zwilling jedes Paars wurde einer veganen Diät zugeteilt, der andere einer omnivoren Ernährung mit Fleisch, Eiern und Milchprodukten. In der Studie wurde sehr viel Wert auf eine ausgewogene und vollwertige Ernährung gelegt: auch die Fleischesser erhielten Gemüse und Obst, während die Veganer explizit mehr Hülsenfrüchte und Nüsse essen sollten, um ihren Protein- und Fettbedarf zu decken. Die ForscherInnen betonten, dass beide Versuchsgruppen gesündere Mahlzeiten zu sich nahmen als die durchschnittliche Bevölkerung. So aßen selbst Omnivoren während der Studie etwa 20-40% mehr Gemüse als zuvor und nur 50-80% der ursprünglichen Menge an hochverarbeiteten Getreideprodukten; und auch die Gesamt-Kalorienzufuhr lag in beiden Gruppen etwa 10% niedriger als vor Studienbeginn. Insofern war zu erwarten, dass beide Gruppen deutliche Verbesserungen der Gesundheit zeigen würden.

Wichtig: generell waren die Diäten als ad-libitum konzipiert, d.h. es ist nicht der absoute Kaloriengehalt der Mahlzeiten festgelegt worden, sondern die Teilnehmer durften selbst entscheiden, mit dem Essen aufzuhören, sobald sie satt waren.

Wie genau unterschied sich die vegane Diät von der omnivoren Ernährung?

Veganer nahmen etwa 10% weniger Kalorien zu sich als Fleischesser, obwohl es keinerlei Vorgaben hierfür gab. Grund ist vermutlich die niedrigere Energiedichte von pflanzlichen Nahrungsmitteln und höhere Gehalt an füllenden Ballaststoffen in pflanzenbasierter Ernährung. Gleichzeitig lag der Anteil an Protein in der veganen Diät etwas niedriger (14% statt 20%), während der Anteil an Kohlenhydraten höher war (48% statt 41%). Die Gesamtmenge an Fett war in den veganen Mahlzeiten nur geringfügig niedriger als bei Omnivoren, jedoch war die Menge an gesättigten Fettsäuren um 7 Prozentpunkte niedriger und durch eine vergleichbare Menge an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ersetzt worden. Veganer aßen während der Studie auch bis zu 20% mehr Getreideprodukte als Omnivoren, besonders in der zweiten Hälfte des Versuchs, während der sie selbst fürs Kochen zuständig waren. Der Großteil ihres höheren Getreidekonsums bestand aber aus Vollkornprodukten; der Anteil an hochverarbeiteten Produkten lag etwa 20-50% niedriger als vor Beginn der Studie. Teilweise damit zusammenhängend war die Menge an Ballaststoffen in der veganen Diät etwa 30-50% höher als bei Fleischessern. Die Proteinzufuhr der Veganer bestand ausschließlich aus pflanzlichen Produkten (inklusive veganen Fleischersatzprodukten), während die Omnivoren-Gruppe die gleiche Menge an tierischem Protein zu sich nahm, aber zusätzlich auch pflanzliches Eiweiß, sodass die Gesamt-Proteinmenge entsprechend größer war. Das tierische Protein setzte sich aus ganz grob 30% Geflügel, 30% rotem Fleisch sowie jeweils 15% Eiern und Fisch zusammen. Interessanterweise nahmen trotzdem Veganer fast 30% mehr Eisen aus ihrer Nahrung auf als Fleischesser.

Welche Vorteile zeigte die vegane Ernährung?

In der Zwillingsstudie verbesserte sich die Gesundheit der Veganer signifikant stärker als die der Omnivoren. Die größten Unterschiede lagen in:

  • einem stärkeren Absenken des LDL-Cholesterinspiegels (und in geringerem Maße auch des HDL-Cholesterins)
  • einem Gewichtsverlust von etwa 2 kg innerhalb der 8 Wochen
  • einer Abnahme der Konzentration an Vitamin B12 im Blut (aufgrund der vergleichsweise kurzen Studiendauer wurde auf eine Supplementierung mit Vitamin B12 verzichtet, die ansonsten bei einer langfristig veganen Ernährung unverzichtbar wäre)
  • niedrigere Werte an Insulin im Blut
Wie hilft eine vegane Diät bei hohem Cholesterin?

Die cholesterinsenkenden Effekte der veganen Ernährung sind nicht unerwartet: zum einen wird durch den Verzicht auf tierische Produkte und den niedrigeren Konsum von gesättigten Fettsäuren die Aufnahme von Cholesterin aus der Nahrung und stimulierte Cholesterin-Produktion des Körpers reduziert. Zum anderen sorgt die höhere Menge an löslichen Ballaststoffen in der Nahrung für eine erhöhte Ausscheidung von Cholesterin über den Stuhlgang, und bei der Zersetzung von fermentierbaren Ballaststoffe durch Darmbakterien entstehen Substanzen wie Propionat und Butyrate, die Gene aktivieren, welche die Cholesterinproduktion hemmen. Siehe auch den Artikel mit mehr Details zur cholesterinsenkenden Wirkung von Ballaststoffen.

Wie eine vegane Ernährung beim Abnehmen hilft

Für den Gewichtsverlust der Veganer von etwa 2 kg in 2 Monaten ist vor allem die Kalorienreduktion von etwa 10% verantwortlich. Diese ist allerdings nicht den Teilnehmern auferlegt worden, sondern hat sich von alleine ergeben. Hierfür ist vermutlich die niedrigere Energiedichte von pflanzlicher Nahrung verantwortlich, also die Tatsache, dass man erheblich mehr Volumen an Gemüse und Hülsenfrüchten essen muss, um die gleiche Kalorienzahl zu sich zu nehmen wie bei einer Fleischmahlzeit. Auch die höhere Menge an Ballaststoffen trägt zu einem früheren Sättigungseffekt bei, was langfristig die Kalorienmenge reduziert. Der niedrigere Insulinspiegel in der Veganer-Gruppe ist wahrscheinlich ein Nebeneffekt des Kaloriendefizits und der Gewichtsabnahme.

Ist eine vegane Diät gesünder als eine Ernährung mit Fleisch?

Auch wenn auf den ersten Blick die Gesundheitswerte wie Cholesterin, Körpergewicht und Insulin durch die vegane Ernährung im Rahmen der Zwillingsstudie deutlicher gesenkt werden konnten als bei Fleischessern, lässt das nicht direkt den Schluss zu, dass vegane Ernährung immer gesünder ist als eine Essgewohnheit mit viel Fleisch und tierischen Produkten. Die beobachteten Effekte lassen sich besonders auf die höhere Menge an Ballaststoffen sowie den niedrigeren Konsum an gesättigten Fettsäuren zurückführen sowie eine leichte Kalorienreduktion. Auch in einer fleischreichen Ernährung ließe sich bei die Menge an gesättigten Fettsäuren reduzieren, wenn der Fokus auf fettarme Stücke gelegt wird, und Ballaststoffe können problemlos durch Leinsamen oder Flohsamenschalen supplementiert werden.

Allerdings muss betont werden, dass die omnivore Ernährung in der Zwillingsstudie erheblich gesünder war als die durchschnittliche Ernährung eines Fleischessers: so lag die Menge an Obst und Gemüse bereits bei 2 bzw. 3 Portionen pro Tag, und der Anteil an hochverarbeiteten Getreide- und Fleisch-Produkten ist stark reduziert worden. Es ist daher legitim zu schlussfolgern, dass eine durchschnittliche vegane Ernährung gesünder ist als eine durchschnittliche Allesesser-Kost.

Welche Probleme hatten Veganer beim Umstieg ihrer Diät?

In Fragebögen haben die ForscherInnen ermittelt, wie zufrieden die StudienteilnehmerInnen mit ihren jeweiligen zugelosten Ernährungsweisen waren. Veganer waren geringfügig unzufriedener mit ihren Ernährungsplänen und bemängelten insbesondere, dass sie mehr Zeit zur Mahlzeitzubereitung aufwenden mussten, weniger Auswahl hatten (insbesondere beim Essen auswärts in Restaurants), und den Umstieg von ihrer bisherigen Ernährung als sehr groß empfanden und jetzt auch Lebensmittel austesten mussten, die sie bislang noch nicht gut kannten. Dennoch gab es nur einen Zwilling, der von einer veganen Diät komplett zu seiner früheren Essgewohnheit zurückkehren wollte; genauso wie in der Gruppe der Omnivoren.

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