Erhöhtes Cholesterin begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose, und erhöhte Blutzucker- und Insulinspiegel begünstigen eine Insulinresistenz und führen langfristig zu Diabetes. Der Zusatz von Ballaststoffen wie Kleie oder Flohsamenschalen zu Mahlzeiten hilft aber, sowohl Cholesterin als auch Blutzucker und Insulin zu senken. Verantwortlich dafür sind zum einen lösliche Ballaststoffe, die im Magen-Darm-Trakt viel Wasser binden können und die Verdauung verlangsamen, aber auch die fermentierbare Ballaststoffe, die im Dickdarm durch Bakterien zersetzt werden. Hierbei bilden sich kurzkettige Fettsäuren, die großen Einfluss auf den Stoffwechsel und daran beteiligte Hormone haben.
Inhaltsverzeichnis
- Ballaststoffe regulieren Blutzucker und Insulin
- Kurzfristig dämpfen Ballaststoffe Blutzucker-Spikes und reduzieren Insulinausschüttung
- Wie regulieren Ballaststoffe den Blutzucker- und Insulinhaushalt?
- Kann eine ballaststoffreiche Ernährung auch langfristig Blutzucker- und Insulinspiegel senken?
- Ein Drink mit Flohsamenschalen vor jeder Mahlzeit wirkt Wunder
- Können Ballaststoffe den Cholesterinspiegel senken?
- Lösliche Ballaststoffe erhöhen die Ausscheidung von Cholesterin
- Fermentierbare Ballaststoffe hemmen die Cholesterinproduktion
Ballaststoffe regulieren Blutzucker und Insulin
Nach jeder Mahlzeit steigt der Blutzuckerspiegel, weil langkettige Kohlenhydrate aus dem Essen im Dünndarm in Zuckermoleküle zerlegt werden, die durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf gelangen. Je simpler die Molekülstruktur der Kohlenhydrate ist und je leichter sie im Nahrungsbrei zugänglich sind, desto schneller und höher steigt der Blutzucker; die höchsten Blutzucker-Spikes werden durch zuckerreiches Essen verursacht. Sowohl der steigende Blutzuckerspiegel als auch Hormone, die während der Verdauung ausgeschüttet werden, wird die Produktion von Insulin angeregt, das Zellen signalisiert, Zuckermoleküle aus dem Blut ins Zellinnere aufzunehmen, wo sie verbrannt werden können; Insulin senkt also den Blutzuckerspiegel. Langfristig können dauerhaft erhöhte Blutzucker- und Insulinwerte die Aufnahme von Zucker in die Zellen bremsen; es bildet sich Insulinresistenz, die unbehandelt zu Diabetes führt.
Kurzfristig dämpfen Ballaststoffe Blutzucker-Spikes und reduzieren Insulinausschüttung
Eine Vielzahl an Studien beschreibt den Effekt, dass zusätzliche Ballaststoffe in einer Mahlzeit den dadurch verursachten Blutzuckeranstieg abdämpfen (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1756464618302378, https://www.mdpi.com/2072-6643/12/6/1561, https://www.bmj.com/content/1/6124/1392, https://www.tandfonline.com/doi/10.1080/16546628.2017.1325306). Typischerweise wird bei einem ballaststoffreichen Essen der Maximalwert der Blutzuckerspitze niedriger und der zeitliche Verlauf flacher ausfallen; in vielen Fällen verringert sich auch die gesamte Fläche unter der Kurve.
Besonders ausgeprägt scheint der blutzuckersenkende Effekt bei Ballaststoffen zu sein, die wasserlöslich sind und stark aufquellen können. In einer Studie ist beispielsweise eine Halbierung des Blutzucker-Peaks und der Insulin-Spitze beobachtet worden, wenn 12g Guarkernmehl zu einer Zuckerlösung aus 50g Glukose gemischt wurden. Auch bei Methylcellulose und Kleie waren signifikante Verringerungen der Maximalwerte von Blutzucker und Insulin beobachtet worden, während Pektin kaum einen Effekt hatte. Interessanterweise hatte hydrolisiertes Guarkernmehl, dessen Quellfähigkeit entscheidend (https://www.bmj.com/content/1/6124/1392).
In einem anderen Experiment ist beispielsweise beobachtet worden, dass die Insulinausschüttung nach einer Reis-Mahlzeit mit hohem Anteil an resistenter Stärke nur halb so hoch ausfiel wie bei gewöhnlichem Reis. Das besondere: die Kohlenhydrat-, Protein- und Kalorienmengen beider Mahlzeiten waren nahezu identisch; bloß die Menge an enthaltenen Ballaststoffen war gegenüber der Kontrollgruppe um das Fünffache erhöht. (https://link.springer.com/article/10.1007/s13300-022-01283-3)
Wie regulieren Ballaststoffe den Blutzucker- und Insulinhaushalt?
Die Wirkung von Ballaststoffen auf den Blutzucker- und Insulinhaushalt erfolgt auf mehrere Weise: zum einen verlangsamt ballaststoffreiche Nahrung generell die Verdauung (https://www.science.org/doi/10.1126/science.aao5774, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(16)30592-X). Zumindest in Tierversuchen an Ratten und Hunden ist nach Gabe von kurzkettigen Fettsäuren eine erhöhte Aktivität bestimmter Glukose-Transporter sowie des Inkretins GLP-1 (glucagon-like peptide-1) beobachtet worden, durch das die Insulinausschüttung stimuliert wird. Beide Effekte verbesserten insgesamt die Aufnahme von Zuckermolekülen aus dem Blut und senkten dadurch den Blutzuckerspiegel (https://www.tandfonline.com/doi/full/10.4161/21623945.2014.960694, https://www.nature.com/articles/ncomms2852). Effektiv konnte in diesen Studien also durch kurzkettige Fettsäuren die Inuslinsensitivität erhöht werden, was das Diabetesrisiko senkt. Auch im Menschen ist eine Korrelation der GLP-1-Konzentration mit der Menge an zirkulierenden kurzkettigen Fettsäuren im Blut nachgewiesen worden (https://www.nature.com/articles/s41598‐019‐48775‐0). Deshalb wird angenommen, dass der Verzehr von fermentierbaren Ballaststoffen, aus denen die Darmbakterien kurzkettige Fettsäuren produzieren, auch im Menschen zu einem verbesserten Insulinhaushalt führt.
Neben dem Ballaststoffanteil beeinflusst aber auch die physische Form von stärkehaltigen Lebensmitteln den Blutzuckeranstieg: alleine durch das Mahlen von braunem oder weißem Reis erhöhte sich der maximale Blutzuckeranstieg auf etwa das Doppelte des Peaks beim Essen ganzer Körner, und auch die Insulinausschüttung wurde verdoppelt (Kann eine ballaststoffreiche Ernährung auch langfristig Blutzucker- und Insulinspiegel senken?
Eine Meta-Analyse von acht randomisierten placebokontrollierten, verblindeten Studien hat bei täglicher Supplementierung mit löslichen Ballaststoffen eine signifikante mittelfristige Senkung des Blutzuckerspiegels und auch des Insulinlevels festgestellt (https://academic.oup.com/ajcn/article/106/6/1514/4823179). Auch wenn die genaue Form der Fiber Supplements von Beta-Glucanen über Oligosaccharide bis hin zu Glucomannan variierten und mal in Kapselform und mal in einem Getränk aufgelöst eingenommen wurden, war das Gesamtbild in der Meta-Analyse sehr konsistent, und die positiven Effekte konnten in allen Studien beobachtet werden, mit Ausnahme einer Untersuchung, die die Ballaststoffe im Brötchenteig untergebacht hatte. Trotz der signifikanten Verbesserungen der Blutwerte durch regelmäßige Einnahme von Ballaststoffen muss man allerdings bedenken, dass die supplementierten Mengen typischerweise zwischen 5 und 20 g/d lagen und sogar bis über 30 g/d reichten, was für eine dauerhafte Nahrungsergänzung relativ viel ist. Eine jüngere Meta-Analyse aus dem Jahr 2022 von bis zu 27 Randomized Controlled Trials konnte die generelle Beobachtung bestätigen und die Empfehlung bekräftigen, mithilfe von zusätzlichen Ballaststoffen in der Ernährung gegen Insulinresistenz anzukämpfen und Blutzucker- und Insulin-Level zu normalisieren. (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2022.972399/full) Zu den beeindruckendsten Ergebnissen in Relation zur Einfachheit der Maßnahmen zählt wohl die Einnahme von Flohsamenschalen (Psyllium) vor den Haupt-Mahlzeiten. Flohsamenschalen sind lösliche Ballaststoffe, die enorm viel Wasser binden können und stark aufquellen. Üblicherweise rührt man einen Teelöffel Flohsamenschalen (ca. 6g) in ein Glas Wasser, lässt es für ein paar Minuten quellen, rührt noch einmal kurz um, und trinkt dann den ballaststoffreichen Drink. Eindrucksvoll zeigt eine Studie, dass die Einnahme von 6.8g Flohsamenschalen den Anstieg des Blutzuckerspiegels darauffolgender Mahlzeiten um zwischen 13% und 41% verringern kann und auch das Maximum des Blutzuckerpeaks um 10-20% abgesenkt wird (https://doi.org/10.1093/ajcn/53.6.1431). Die Mahlzeiten entsprachen dabei dem Durchschnitt einer westlichen Ernährung, etwa mit Weißbrot, Rührei, Cornflakes, und Orangensaft zum Frühstück und über den Tag verteilt etwa 20% Protein und 13g Ballaststoffen. Herausragend ist, dass ein Flohsamendrink vor dem Frühstück sogar noch beim Mittagessen einen Effekt zeigte und auch hier den Blutzuckanstieg insgesamt um 65% senken und den die Peak-Blutzuckerkonzentration um 31% verringern konnte. Das Abbremsen des Blutzuckeranstiegs durch ein ballaststoffreiches Getränk ging zudem einher mit einem um 12% schwächeren Anstieg der Insulin-Werte. In einer anderen Untersuchung haben DiabetikerInnen 15min vor jedem Mittag- und Abendessen ein Glas Wasser mit 7g bzw 3g Flohsamenschalen zu sich genommen und konnten innerhalb von 8 Wochen den Blutzuckerspiegel um 40 mg/dl senken und auch HbA1c- und Insulinlevel signifikant verringern. Leider hatte in dieser Studie die Kontrollgruppe kein Placebo eingenommen, und aufgrund fehlender Verblindung wäre es auch möglich, dass die Versuchsgruppe durch zusätzliche Verhaltensänderungen ihre Insulinsensitivität verbessern konnte. Neben einer Verbesserung der Blutwerte ist in dieser Untersuchung aber auch eine Gewichtsabnahme von fast 3kg sowie eine Verkleinerung von Hüft- und Bauchumfang um jeweils 2-3 cm gemessen worden. (https://nutritionj.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12937-016-0207-4) Die positiven Effekte von Flohsamenschalen sind in einer Meta-Analyse 19 randomisierte placebo-kontrollierte Studien bestätigt worden. Diese fand jedoch eine signifikante Reduzierung von HbA1c (als Langzeit-Marker für Blutzucker) nur in einer Untergruppen-Analyse von Studien mit mehr als 10g täglicher Psyllium-Supplementierung. (https://www.researchsquare.com/article/rs-2812896/v1) Ja, in mehreren Studien ist beobachtet worden, dass eine ballaststoffreiche Ernährung den Cholesterinspiegel senken kann (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2022.972399/full, https://doi.org/10.1159/000072404, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2021.787797/full). Erfreulicherweise wirken Ballaststoffe besonders gut gegen das schädliche LDL-Cholesterin. Verantwortlich für diesen Effekt scheinen besonders lösliche Ballaststoffe wie Beta-Glukan, Psyllium, Pektin und Guar zu sein: pro zusätzlichem Gramm dieser Ballaststoffe kann der LDL-Cholesterinwert um 0.029mmol/L gesenkt werden, bei Pektin sogar um 0.05mmol/L (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0031938408000024). Als Erklärung für den cholesterinsenkenden Effekt von Ballaststoffen gilt eine Beeinflussung des Gallensäure-Kreislaufs: diese wird in der Leber aus Cholesterin neu gebildet und im Darmtrakt abgesondert, um Fette aus der Nahrung aufnehmen zu können. Der Großteil ihrer Bestandteile, der Gallensalze, wird im Dickdarm schließlich wieder reabsorbiert und der Galle zugeführt. Ein erhöhter Konsum löslicher Ballaststoffe bildet aber einen wässrig/gel-artigen Film im Dickdarm, der vermutlich die Wiederaufnahme der Gallensalze hemmt. Als Folge wird ein größerer Teil des Cholesterins mit dem Kot ausgeschieden, während für die Neubildung von Gallensäure mehr Cholesterin benötigt wird, welches dann nicht mehr im Blut vorliegt. (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0031938408000024, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2019.00171/full) Ein zweiter Wirkmechanismus kann auch in kurzkettigen Fettsäuren liegen, die bei der Fermentierung einiger Ballaststoffe durch Darmbakterien im Dickdarm gebildet werden. Die beiden kurzkettigen Fettsäuren Propionate und Butyrate hemmen einige Gene, die an der Cholesterinproduktion beteiligt sind (https://iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/iub.110), und in Tierversuchen konnte bereits bestätigt werden, dass eine erhöhte Aufnahme dieser short-chain fatty acids den Cholesterinspiegel absenkt (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022316623020370). Ein Drink mit Flohsamenschalen vor jeder Mahlzeit wirkt Wunder
Können Ballaststoffe den Cholesterinspiegel senken?
Lösliche Ballaststoffe erhöhen die Ausscheidung von Cholesterin
Fermentierbare Ballaststoffe hemmen die Cholesterinproduktion
Pingback: Zwillingsstudie zu Vorteilen veganer Ernährung – modern-health.info