Ballaststoffe – kalorienarmer Boost für die Verdauung

Eine ballaststoffreiche Ernährung ist das neue Wundermittel im Kampf gegen viele Volkskrankheiten wie Diabetes und Herzkreislauferkrankungen. Es klingt faszinierend: Ballaststoffe sind unverdaulich und tragen daher nichts zu unserer Kalorienbilanz bei – stattdessen soll ein Mehr an Ballaststoffen sogar beim Abnehmen helfen. Doch was sind eigentlich Ballaststoffe, und ist jeder Ballaststoff gleich gut für uns?

Was sind Ballaststoffe?

Ballaststoffe sind Pflanzenfasern, wie der englische Begriff fiber verrät. Neben Stängeln und Blättern finden sich solche Fasern auch in harten Pflanzenteilen wie Kornhüllen und Samen, aber auch in Fruchtschalen. Ballaststoffe lassen sich nach vielen Merkmalen gruppieren: nach den Lebensmitteln, in denen sie am meisten vorliegen, oder ihrer chemischen Struktur. Die Bedeutung für unsere Ernährung und Gesundheit hängt aber stark mit ihrer Löslichkeit in Wasser und ihrer Fermentierbarkeit durch Darmbakterien zusammen.

Der Großteil unserer Verdauung geschieht normalerweise im Dünndarm: dort befinden sich Enzyme, die Kohlenhydrate in einzelne Zuckermoleküle wie Glucose und Fructose spalten können, welche dann leicht über die Darmschleimhaut ins Blut aufgenommen werden können (Grundkurs Verdauung – mit anschaulichen Abbildungen). Ballaststoffe hingegen lassen sich nicht durch diese Enzyme spalten gelangen unverändert in den Dickdarm. Einige Ballaststoffe werden schließlich unverdaut ausgeschieden; andere Ballaststoffe hingegen werden von Darmbakterien im Dickdarm zerlegt und fermentiert.

Welche Arten von Ballaststoffen gibt es?

Ballaststoffe umfassen eine Vielzahl an Substanzen. Zu den bekanntesten Ballaststoffen zählen Cellulose, Lignin, Pektine, Beta-Glucan, Inulin und Resistente Stärke. Diese Ballaststoffe kommen in unterschiedlichen Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs vor: Beispielsweise ist Cellulose Bestandteil der Zellwände in Pflanzen, und Lignin ist ein Holzfaserstoff. Beide sind für den Menschen vollkommen unverdaulich. Pektine sind als Geliermittel in der Küche bekannt und finden sich z.B. in Apfelschalen, während eine Haferflocken beispielsweise eine gute Quelle für Beta-Glucane sind. Inulin ist Vertreter der Fructane, also komplexer Fruchtzuckerverbindungen, die aber vom Menschen nicht aufgespalten werden können. Inulin liegt nur in wenigen Pflanzengattungen in größeren Mengen vor, beispielsweise in Chicorée, Artischocken und Pastinaken. Und Resistente Stärke bezeichnet Stärkemoleküle, die z.B. aufgrund ihrer räumlichen Struktur nicht von Enzymen im Dünndarm verdaut werden können. Resistente Stärke bildet sich beispielsweise beim Abkühlen gekochter stärkehaltiger Lebensmittel, liegt aber zum Teil auch in unreifen Früchten vor.

Für die Wirkung auf unsere Gesundheit und unseren Körper ist jedoch weniger die exakte chemische Verbindung der Ballaststoffe entscheidend, sondern vielmehr die Eigenschaften. Insbesondere werden oft wasser-lösliche Ballaststoffe sowie fermentierbare Ballaststoffe betrachtet. (https://www.nature.com/articles/s41575-020-00375-4)

Was sind lösliche Ballaststoffe?

Lösliche Ballaststoffe quellen in Verbindung mit Wasser gel-artig auf und erhöhen die Viskosität, machen Flüssigkeiten also dickflüssiger und brei-artiger. Die erhöhte Viskosität verlangsamt beispielsweise die Entleerung des Magens, was für ein längeres Sättigungsgefühl sorgt und auch Blutzuckerspitzen der Mahlzeit abdämpft.

Lösliche Ballaststoffe sind beispielsweise Beta-Glukan aus Haferflocken, Psyllium aus Flohsamenschalen, aber auch Inulin, Pektin, Agar-Agar und Carragen. Der Großteil der wasserunlöslichen Ballaststoffen hingegen besteht aus Cellulose und Lignin.

Was sind fermentierbare Ballaststoffe?

Fermentierbare Ballaststoffe können zwar nicht von Enzymen im Dünndarm gespalten werden, aber sie werden von Bakterien im Dickdarm zerlegt und aufgenommen. Als Produkt dieser Fermentation bilden sich kurzkettige Fettsäuren (Short-Chain Fatty Acids) wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure (Acetate, Propionate, Butyrate). Diese sind die Hauptenergiequelle für Darmzellen und maßgeblich an der Appetitregulation beteiligt. Fermentierbare Ballaststoffe sind beispielsweise Inulin und Beta-Glukane; zu geringeren Teilen auch Polydextrose (https://academic.oup.com/nutritionreviews/article/69/1/9/1844269). Generell bezeichnet der Überbegriff „präbiotisch“ alle Lebensmittelbestandteile, die die Darmflora positiv beeinflussen; fermentierbare Ballaststoffe stellen einen großen Teil davon.

Hilft eine ballaststoffreiche Ernährung gegen Verstopfung?

Nicht alle Ballaststoffe wirken gleich gut gegen Verstopfung (https://www.jandonline.org/article/S2212-2672(16)31187-X/fulltext, https://link.springer.com/article/10.1007/s10620-016-4304-1): hilfreich sind zum einen lösliche Ballaststoffe, die mit Wasser ein Gel bilden und so für einen weicheren Stuhl sorgen; beispielsweise Psyllium aus Flohsamenschalen. Zum anderen helfen auch nicht-lösliche Ballaststoffe, die den Dickdarm reizen und die Verdauung ankurbeln können, beispielsweise durch Sekretion von Verdauungssäften oder auch Verkürzung der Aufenthaltszeit im Darmtrakt. Voraussetzung für diesen Effekt ist eine minimale Größe der Ballaststoffpartikel (https://link.springer.com/article/10.1023/A:1026613909403): Vollkornprodukte und Weizenkleie beispielsweise helfen sehr gut gegen Verstopfung, während Weißmehl keinen positiven Effekt hat und das Problem sogar verschlimmern kann (https://doi.org/10.1097/JXX.0000000000000346).

Ballaststoffe, die durch Darmbakterien abgebaut und fermentiert werden, haben allerdings keine Wirkung gegen Verstopfung (https://link.springer.com/article/10.1007/s10620-016-4304-1); dies gilt beispielsweise für Inulin, Beta-Glukan, Polydextrose, Pektin und resistente Stärke.

Wie viele Kalorien haben Ballaststoffe?

Chemisch gesehen sind Ballaststoffe zwar Kohlenhydrate, doch kann der Körper sie nicht enzymatisch in absorbierbare Nährstoffe spalten, sodass sie über den Stuhl wieder ausgeschieden werden. Ballaststoffe haben demnach also keine Kalorien, die für die Energiebilanz des Körpers relevant wären. In Studien, in denen ein Teil der Kohlenhydrate durch Ballaststoffe ersetzt wird (beispielsweise konventionelle Maisstärke durch resistente Stärke), wurde entsprechend eine signifikante Verringerung des Blutzuckeranstiegs und der Insulinausschüttung nach der Mahlzeit gemessen. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0899900718300145)

Allerdings haben nicht alle Ballaststoffe wirklich null Kalorien: fermentierbare Ballaststoffe wie Polydextrose, Beta-Glukan, Inulin und Oligofruktose werden im Dickdarm von Bakterien aufgespalten, und die Abbauprodukte des Fermentationsprozesses können vom Körper aufgenommen und verstoffwechselt werden. Über diesen Umweg lässt sich diesen fermentierbaren Ballaststoffen ein Kaloriengehalt von etwa 1-2 kcal/g zuordnen, also gut 25-50% des Kaloriengehalts typischer Kohlenhydrate (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/B9780123849472007820, https://doi.org/10.1111/j.1753-4887.2007.tb00279.x, https://www.hindawi.com/journals/jnme/2019/4983657/). Empfehlung der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (UN FAO) ist eine Kennzeichnung von fermentierbaren Ballaststoffen mit 2 kcal/g (https://www.fao.org/3/Y5022E/y5022e04.htm), welche von der EU als Richtlinie übernommen worden ist (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R1169&from=EN).

Die Schätzung des Kaloriengehalts von Ballaststoffen ist mit mehreren Unsicherheiten behaftet: je nach molekularer Struktur und makroskopischer Beschaffenheit der Ballaststoffe werden diese nicht immer vollständig von Darmbakterien fermentiert; und auch benötigen der Fermentierungsprozess bzw. die Bakterien selbst Energie, die dem restlichen Körper nicht mehr zur Verfügung steht. Außerdem können Ballaststoffe die Verdaulichkeit und Aufnahme von anderen Makronährstoffen wie Fett oder Kohlenhydraten herabsetzen, wenn auch nur um wenige Prozent (https://www.hindawi.com/journals/jnme/2019/4983657/, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/B9780123849472007820). Grundsätzlich haben aber auch ballaststoffreiche Lebensmittel keine negativen Kalorien (https://www.oatext.com/testing-the-validity-of-negative-calorie-foods-with-a-reptile-model.php): es funktioniert also nicht, bloß durch zusätzliches Essen von Ballaststoffen die Kalorienaufnahme der restlichen Ernährung zu reduzieren oder kompensieren.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert