„Solange man nur kurz in der Sonne ist und keinen Sonnenbrand kriegt, ist es nicht schlimm für die Haut.“ – stimmt das wirklich? Leider ist das ein Mythos. Mehrere Studien haben beobachtet, dass eine Schädigung der Haut schon nach wenigen Minuten kräftiger Sonnenstrahlung eintreten kann; bis zu 100 mal schneller, als sich erste Rötungen einen leichten Sonnenbrand andeuten würden! Die Folgen reichen von schnellerer Hautalterung und Faltenbildung über Störungen der Immunabwehr bis hin zu DNA-Schäden, die potentiell Krebs auslösen können. Glücklicherweise lassen sich all diese Gefahren mit Sonnenschutzmitteln minimieren.
(https://www.nature.com/articles/s41598-018-32056-3, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2133.2010.10018.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ics.12036, https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/09546634.2020.1789047, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0002916523241143)
Inhaltsverzeichnis
- UV-Strahlung schadet der Haut, schon bevor sie rot wird
- Krebserregende DNA-Schäden können auch ohne Sonnenbrand entstehen
- UV-Licht schwächt die Immunabwehr der Haut
- Kriegt man Falten von Sonnenstrahlung im Alltag?
- Sonnencreme schützt auch gegen schwache UV-Strahlung
- Schützt Vorbräunen vor Sonnenbrand?
- Verhindert Sonnencreme die Produktion von Vitamin D in der Haut?
UV-Strahlung schadet der Haut, schon bevor sie rot wird
In zahlreichen Studien ist der Einfluss von wiederholter schwacher UV-Strahlung auf unsere Haut untersucht worden. Entscheidend ist, dass jede Einzeldosis so gering ausfiel, dass keine Rötung der Haut (d.h. kein Erythem) verursacht wurde. Dies entspricht einem kurzen Aufenthalt im Freien (etwa 30min an einem sonnigen Sommertag in Mitteleuropa, https://www.nature.com/articles/s41598-018-32056-3, https://jamanetwork.com/journals/jamadermatology/article-abstract/711909) oder einem längeren Aufenthalt bei bewölkten Himmel. Mit bloßem Blick ist bei solch niedriger UV-Dosis keine Schädigung der Haut erkennbar; die Strahlung ist zu schwach, um einen Sonnenbrand zu verursachen. Dennoch zeigt eine Vielzahl an Studien eine Schädigung der Haut, wenn regelmäßig dieser schwachen UV-Strahlung ausgesetzt ist (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2133.2010.10018.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/exd.12388, https://www.nature.com/articles/s41598-018-32056-3).
Krebserregende DNA-Schäden können auch ohne Sonnenbrand entstehen
In einer Publikation sind ProbandInnen jeden Tag einer UV-Dosis ausgesetzt worden, die jeweils nur halb so hoch war, wie es für eine Rötung der Haut erforderlich gewesen wäre (d.h. 0.5 MED, minimum erythemal doses). Nach vier Wochen ist in einer Laboranalyse der Haut eine signifikante Schädigung festgestellt worden (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1468-3083.2009.03332.x), beispielsweise anhand von 7-mal höheren Konzentrationen des Proteins p53, das bei Schäden an der DNA aktiviert wird (https://www.nature.com/articles/nrm2451, https://www.nature.com/articles/nrc1011, https://www.nature.com/articles/s12276-022-00863-4). Eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 8 hat aber bereits ausgereicht, um die Hautschäden durch die schwache UV-Strahlung zu verhindern.
Eine konkrete Art der Hautschädigung ist beispielsweise das lokale Aufbrechen eines DNA-Doppelstrangs und die anschließende Bindung benachbarter Basen eines Einzelstranges: sogenannte CPDs (cyclobutane pyrimidine dimers). CPDs sind die häufigste Ausprägung von DNA-Schäden durch UV-Strahlung (https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.0604213103) und stehen in direktem Zusammenhang zur Bildung von Hautkrebs (https://aacrjournals.org/cancerres/article/52/15/4227/497921/Pyrimidine-Dimer-Removal-Enhanced-by-DNA-Repair, https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(05)00025-4). In einer Studie ist eine Verdopplung dieser Art von krebserregenden DNA-Schäden nach nur 12 Tagen mit schwacher UV-Strahlung beobachtet worden (bei jeweils 0.5 MED, also der halben Dosis, wie sie für einen leichten Sonnenbrand nötig wäre) (https://www.jidonline.org/article/S0022-202X(15)33316-9/fulltext).
UV-Licht schwächt die Immunabwehr der Haut
Eine Reihe an Studien hat beobachtet, dass UV-Strahlung auch die Abwehrfunktion unserer Haut gegen Krankheitserreger und Umweltgifte herabsetzt, indem bestimmte Abwehrzellen zerstört werden (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1751-1097.2007.00239.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1600-0536.2007.01227.x, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1562/2005-04-10-RA-484, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/0190962295901841, https://www.jidonline.org/article/S0022-202X(15)33316-9/fulltext, https://www.nature.com/articles/s41577-019-0185-9). Sogenannte Langerhans-Zellen können Antigene aus der Umwelt erkennen und eine angemessene Immunantwort induzieren, indem sie T-Lymphozyten aktivieren (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2018.00093/full, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2017.01941/full, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jcmm.15834). Damit bilden Langerhans-Zellen quasi die erste Schutzbarriere unseres Immunsystems gegen äußere Reize. Durch regelmäßigen Einfluss von schwacher UV-Strahlung nimmt aber die Zahl an Langerhans-Zellen in unserer Haut ab, wodurch das Antigene länger und tiefer in den Körper eindringen können, bevor das Immunsystem eine Abwehrreaktion auslöst.
Neben Langerhans-Zellen werden auch viele andere Zelltypen durch UV-Strahlung beeinträchtigt, und die Zusammensetzung der Zellen im Blut ändert sich (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2021.694086/full). Beispielsweise steigt die Expression der Gene Bax und p73, die mit Zelltod assoziiert werden, in Blutproben auf das 3-fache an, wenn die ProbandInnen an zehn Tagen einer schwachen UV-Dosis ausgesetzt worden waren (jeweils etwa 35min Aufenthalt im Freien bei sonnigem Wetter in Mitteleuropa entsprechend) (https://jamanetwork.com/journals/jamadermatology/article-abstract/711909).
Kriegt man Falten von Sonnenstrahlung im Alltag?
Es ist gut belegt, dass der UV-Anteil von Sonnenstrahlung unsere Haut ältern lässt und zu Falten und hängenden Hautpartien führt. Leider tritt dieser Effekt aber bereits ein, bevor sich unsere Haut rötet und ein Sonnenbrand entsteht.
Eine Studie zeigt, dass im Sommer ein Aufenthalt in der Sonne von nur wenigen Minuten ausreicht, um die Hautalterung signifikant zu beschleunigen (https://www.nature.com/articles/379335a0). Gemessen wurde dabei die Aktivität der Enzyme Kollagenase und Gelatinase, welche elastische Fasern in unserer Haut abbauen und damit Faltenbildung und schlaffe Hautpartien fördern. Bemerkenswert: eine signifikante Erhöhung der Aktivität von Kollagenase war bereits nach einer UV-Dosis von 1% der MED messbar, also bereits bei 100-mal weniger Strahlung, bevor eine Rötung der Haut eingesetzt hatte; und auch Gelatinase und weitere Biomarker waren bereits ab 10% der MED signifikant stärker aktiv.
Neben Kollagenase und Gelatinase scheint ein weiteres Enzym maßgeblich an Faltenbildung in Folge von UVB-Strahlung verantwortlich zu sein (https://link.springer.com/article/10.1007/s00403-007-0798-x): Elastase baut Elastin ab, welches neben Kollagen Hauptbestandteil der elastischen Fasern in unserer Haut ist. Während UVB-Strahlung dadurch vor allem feine Falten begünstigt, scheint UVA-Strahlung eher zu hängenden und schlaffen Hautpartien zu führen (https://academic.oup.com/bjd/article-abstract/151/5/984/6635824).
Sonnencreme schützt auch gegen schwache UV-Strahlung
Alle Studien zeigen: Schädigung der Haut beginnt bereits ab kleinsten Dosen an UV-Strahlung; lange, bevor sichtbare Rötungen entstehen. Viele der obigen Studien weisen aber auch nach, dass Hautschäden durch alltägliche UV-Einwirkung durch Sonnenschutzcreme verhindert werden kann (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1468-3083.2009.03332.x, https://www.jidonline.org/article/S0022-202X(15)33316-9/fulltext, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2133.2010.10018.x, https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09546634.2020.1789047, https://doi.org/10.7326/0003-4819-158-11-201306040-00002, https://doi.org/10.1097/DSS.0000000000000879, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/phpp.12688).
Schützt Vorbräunen vor Sonnenbrand?
Menschen mit dunkler Haut kriegen nicht so schnell einen Sonnenbrand wie hellhäutige, weil sie von Natur aus mehr Melanin bilden. Melanin ist ein Hautfarbstoff, der UV-Licht absorbiert und dadurch wie ein körpereigenes Sonnenschutzmittel wirkt; außerdem schützt er die Haut auch durch antioxidative Effekte (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1751-1097.2007.00226.x). Deshalb liegt die Idee nahe, dass sonnengebräunte Haut ebenfalls einen natürlichen Schutz vor schädlicher UV-Strahlung bietet. Aber gibt es tatsächlich so etwas wie „gesunde Bräune“?
UV-A und UV-B Strahlung verursachen beide eine Bräunung von Haut, selbst wenn die tägliche Dosis so niedrig ist, dass nie eine Rötung der Haut erfolgt. Energiereiche UVB-Strahlung stimuliert die Produktion von Melanin, wodurch langfristig ein körpereigener Sonnenschutz aufgebaut wird. Im Gegensatz zu UVB-Strahlung hat die langwelligere UVA-Strahlung jedoch keine schützende Wirkung: sie bräunt die Haut lediglich durch Oxidation von bereits vorhandenem Melanin (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1755-148X.2010.00764.x). Leider ist UVB-Licht zwar verantwortlich für den schützenden Effekt durch Melanin-Neubildung, allerdings verursacht UVB-Strahlung aufgrund ihrer höheren Energie auch mehr DNA-Schäden als UVA-Licht. Zum gezielten Vorbräunen eignet sich UVB-Licht daher nicht.
Verhindert Sonnencreme die Produktion von Vitamin D in der Haut?
Randomisierte kontrollierte Studien konnten keine Beeinträchtigung der Vitamin D Produktion feststellen (https://academic.oup.com/bjd/article-abstract/181/5/907/6602215). Unter Laborbedingungen hingegen wurde eine reduzierte Vitamin D Produktion festgestellt. Es sind mehrere Gründe denkbar, weshalb diese Beobachtung in Feldstudien nicht bestätigt wurde (https://academic.oup.com/bjd/article-abstract/161/4/732/6642119): die Belichtungsverhältnisse mit teils diffuser Strahlung oder wechselnden Einfallswinkeln kann einen größeren Effekt haben als bisweilen angenommen; die UV-Strahlung der Experimente unterscheidet sich oft vom breiten Wellenlängenspektrum der natürlichen Sonnenstrahlung; außerdem haben die meisten Studien nur Sonnencremes mittlerer Sonnenschutzfaktoren (LSF 10-20) getestet, und es ist in mehreren Studien beobachtet worden, dass die meisten Menschen im alltäglichen Leben zu wenig Sonnencreme auftragen oder zu selten nachcremen. Ultra-hohe Sonnenschutzfaktoren und höhere Konzentrationen gemäß der offiziellen Empfehlungen könnten möglicherweise dennoch Beeinträchtigungen der Vitamin D Produktion bedeuten.
Leider gibt es keine unbedenkliche Dosis an UVB-Strahlung, der man sich gezielt aussetzen sollte, bloß um die Bildung von Vitamin D zu stimulieren: schließlich schadet sie die Haut auch unterhalb der Rötungsschwelle. Allerdings ist auch keine minimale UV-Dosis erforderlich, unterhalb derer unsere Haut gar kein Vitamin D produzieren würde (https://www.jidonline.org/article/S0022-202X(18)31950-X/fulltext); das bedeutet, selbst Spaziergänge bei bewölktem Himmel oder in den Abendstunden stimulieren die Produktion von Vitamin D. Erfreulicherweise lässt sich Vitamin D aber unkompliziert als Nahrungsergänzungsmittel supplementieren, falls ein Vitamin D Mangel diagnostiziert werden sollte.