Ist tierisches oder pflanzliches Protein besser für den Menschen?

Protein ist neben Kohlenhydraten und Fett der dritte wichtige Makronährstoff, den wir über unser Essen aufnehmen. Bei einer Mischkosternährung mit viel Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten ist der Großteil des aufgenommenen Proteins tierischen Ursprungs. Gute vegane Proteinquellen hingegen sind Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen, Bohnen und Soja, aber auch Nüsse und verschiedene Getreidesorten. Die Lebensmittel unterscheiden sich jedoch nicht nur darin, wie viel Protein sie enthalten, sondern auch in den Aminosäuren, aus denen die enthaltenen Proteine aufgebaut sind. Verschiedene Prozesse in unserem Körper benötigen jedoch ganz spezifische Aminosäuren, sodass sich die Frage stellt, was gesünder ist: eine Ernährung mit vorwiegend pflanzlichem Eiweiß oder eine mit Protein aus tierischen Quellen?

Pflanzliches Protein schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In mehreren Studien sind sehr viele TeilnehmerInnen über viele Jahre hinweg regelmäßig zu ihrer Ernährung und ihrem Gesundheitszustand befragt worden; im Anschluss ließ sich mit statistischen Verfahren bestimmen, welchen Einfluss Fleisch und Milchprodukte gegenüber veganen Eiweißquellen auf Krankheitsrisiken und Sterblichkeit der StudienteilnehmerInnen hatten. In einer der größten solcher Kohortenstudien sind mehr als 400.000 Menschen bis zu 16 Jahre lang befragt worden (https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2768358). Das Ergebnis: mehr pflanzliches Protein in der Ernährung war mit einer niedrigeren Sterblichkeit korreliert, insbesondere einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen; mit tierischem Eiweiß konnte hingegen keine gesundheitliche Verbesserung assoziiert werden, ebenso wurde kein Zusammenhang mit einem Risiko für Krebserkrankungen gefunden. Bemerkenswerterweise blieben die Ergebnisse unbeeinflusst von anderen Faktoren, die Einfluss auf die Gesundheit und Sterblichkeit haben könnten, wie Zigarettenkonsum, den Anteilen von Fett, Kohlenhydraten, Gemüse und Obst in der Ernährung, der Einnahme von Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln, sportlicher Betätigung sowie Bildungsniveau und Haushaltseinkommen. Die Robustheit dieser Ergebnisse wird untermauert durch mehrere ähnliche Kohortenstudien in anderne Ländern (https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2748453, https://academic.oup.com/aje/article/161/3/239/127005, https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/0003-4819-153-5-201009070-00003, https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2540540) sowie einer Meta-Analyse dieser und weiterer Studien mit insgesamt über 700.000 TeilnehmerInnen (https://www.bmj.com/content/370/bmj.m2412).

Wie sehr verbessert pflanzliches Protein die Gesundheit?

Aus statistischen Analysen der Kohortenstudien lernen wir: wenn man bloß 3% der Gesamt-Kalorien statt aus tierischen Produkten aus pflanzlichen Lebensmitteln zu sich nimmt, verringert man seine Sterblichkeit um 5% (https://www.bmj.com/content/370/bmj.m2412). Besonders vorteilhaft ist es, rotes Fleisch und Eier wegzulassen und durch vegane Proteinquellen zu ersetzen: hierdurch sinkt nicht nur die Gesamt-Sterblichkeit um 15% bzw 24%, sondern man reduziert (statistisch gesehen) auch die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Herzinfarkte, Atemwegserkrankungen und sogar Krebs (https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2768358). Auch eine statistische Auswertung des „Global Burden of Disease“-Programms der Weltgesundheitsorganisation mit 1 Milliarde Datenpunkten seit 1990 (https://www.healthdata.org/gbd/2019) kommt zu dem Ergebnis, dass die Lebenserwartung von Menschen mit typisch westlichem Lebensstil je nach Alter um 1 bis 4 Jahre steigt, wenn sie auf rotes und verarbeitetes Fleisch verzichten (https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1003889). Ebenso ließen sich bis zu 4 weitere Lebensjahre dazugewinnen, wenn Menschen den Anteil von Hülsenfrüchten und Nüssen in ihrer Ernährung deutlich erhöhen würden.

In separaten Studien konnte konkreter gezeigt werden, dass pflanzliches Protein im Gegensatz zu tierischem Protein blutdrucksenkend wirkt (https://www.nature.com/articles/jhh200864, https://foodandnutritionresearch.net/index.php/fnr/article/view/539) und auch den Cholesterin-Spiegel absenkt (https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/JAHA.117.006659, https://foodandnutritionresearch.net/index.php/fnr/article/view/539, https://academic.oup.com/jn/article/149/6/968/5475972, https://www.cell.com/iscience/fulltext/S2589-0042(21)01406-1).

Verursacht tierisches Eiweiß Krebs?

Die Studienlage, ob die Menge an Protein in unserer Ernährung und insbesondere der Anteil an tierischem Protein das Risiko erhöhen, an Krebs zu erkranken, ist insgesamt uneindeutig (https://foodandnutritionresearch.net/index.php/fnr/article/view/539, https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/2768358, https://academic.oup.com/aje/article/161/3/239/127005, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00062-X, https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/0003-4819-153-5-201009070-00003, https://www.mdpi.com/2072-6694/14/12/2917). Es mehren sich aber Hinweise darauf, dass rotes und verarbeitetes Fleisch das Darmkrebsrisiko erhöht (https://www.nature.com/articles/s41591-022-01968-z, https://link.springer.com/article/10.1007/s10654-021-00741-9).

Der Zusammenhang zwischen (tierischem) Protein und Krebs fällt damit bei Menschen deutlich schwächer aus als in Mäusen, die generell mehr Tumore bilden als wir. In Mäusen konnten protein-arme Diäten Krebswachstum verlangsamen (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00062-X, https://www.cell.com/cancer-cell/fulltext/S1535-6108(16)30265-3); und eine Verringerung der Aminosäure Methionin, die vor allem in tierischen Lebensmitteln vorkommt, ließ Darmkrebs effektiver durch Chemotherapien bekämpfen (https://www.nature.com/articles/s41586-019-1437-3, https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0305737212000059). Lesen Sie hier, wie proteinarme Diäten die Gesundheit von Mäusen verbessern.

Warum ist pflanzliches Protein gesünder als Fleisch, Eier oder Milchprodukte?

Pflanzliche Proteinquellen unterscheiden sich von tierischem Eiweiß in ihrer Aminosäurenzusammensetzung: pflanzliches Protein enthält weniger Methionin (https://sci-hub.se/10.1016/j.ctrv.2012.01.004, https://link.springer.com/article/10.1007/s00726-018-2640-5, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(21)00281-3). Eine methioninarme Diät hat in Mäusen zu signifikanten Verbesserungen des Stoffwechsels und sogar einer Verlängerung der Lebensdauer geführt (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/acel.12796, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1474-9726.2005.00152.x, https://faseb.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1096/fasebj.8.15.8001743, https://academic.oup.com/jn/article-abstract/123/2/269/4724016). Ursache dafür könnte eine besondere Rolle in Stoffwechselprozessen schwefelhaltiger Moleküle spielen (https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(14)01633-X), oder auch eine Anregung der Produktion von Glutathion, einem Molekül, das in vielen zellulären Reparaturprozessen und Immunantworten beteiligt ist.

Eine generelle Schwierigkeit von Ernährungsstudien, die nicht mit Pulvermischungen einzelner Aminosäuren, Fettsäuren und Kohlenhydrate arbeiten, ist aber die Korrelation zwischen Nährstoffen je nach Lebensmittel (https://academic.oup.com/advances/article/10/Supplement_4/S351/5624056). Wird tierisches Protein aus Fleisch beispielsweise durch pflanzliches Protein in Form von Kichererbsen ersetzt, steigt gleichzeitig die Menge an Ballaststoffen und Kohlenhydraten im Essen, während der Anteil an gesättigten Fettsäuren sinkt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ein Teil der gesundheitlichen Verbesserungen durch pflanzenbasierte Eiweißquellen gar nicht durch ihre Aminosäurenzusammensetzung hervorgerufen werden, sondern durch einen höheren Anteil an ungesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen oder auch sekundären Pflanzenstoffen.

Proteinbedarf steigt im Alter

Menschen benötigen im Alter eine höhere Proteinzufuhr von 1.0-1.3 g/kg/Tag, um ihre Muskelmasse zu erhalten (https://www.karger.com/Article/Abstract/499374, https://www.mdpi.com/2072-6643/7/8/5311). Studien an jüngeren Menschen haben gezeigt, dass eine proteinarme Ernährung generell mit niedrigeren Krankheitsrisiken verbunden ist, weil der Stoffwechsel verbessert und Insulinresistenz sowie Diabetes vorgebeugt wird (https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(14)00062-X, https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(15)00224-7, https://foodandnutritionresearch.net/index.php/fnr/article/view/539); dieser Effekt war im höheren Alter nicht mehr zu beobachten. Möglicherweise sind die Auswirkungen einer proteinarmen Ernährung auf junge Menschen in den Kohortenstudien nicht aufgefallen, weil die meisten Teilnehmer bereits zu Studienbeginn älter als 50 Jahre waren und weil die Sterblichkeit von jungen Menschen generell niedriger liegt.

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