Können Omega-3-Supplements Vorhofflimmern verursachen?

Eine im April 2024 veröffentlichte Studie an über 400.000 TeilnehmerInnen sorgte für Schlagzeilen, weil die Einnahme von Fischölkapseln das Risiko für Vorhofflimmern zu erhöhen schien. (https://bmjmedicine.bmj.com/content/3/1/e000451)

An dieser Studie nahmen über 400.000 TeilnehmerInnen teil, die zwischen 2006 und 2010 zur UK Biobank Cohort Study rekrutiert worden waren. Die ProbandInnen waren zu Studienbeginn 40-69 Jahre alt und bildeten die breite Gesellschaft ab. Für die neu erschienene Studie ist die Kohorte eingeteilt worden in zwei Gruppen: eine, die angab, regelmäßig Omega-3-Präparate wie Fischöl einzunehmen, und eine ohne Supplementierung. Diese Einteilung erfolgte auf Basis eines Fragebogens und eines Interviews zu Beginn der Studie. Nach durchschnittlich 12 Jahren sind dann die Anzahl an Krankheitsfälle von Vorhofflimmern, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzinsuffizienz in jeder Gruppe ermittelt worden. Haupt-Ergebnis der Studie war, dass in der Gruppe mit Omega-3-Supplementierung das Auftreten von Vorhofflimmern um etwa 13% erhöht war gegenüber der Gruppe ohne Fischöl-Präparate. Gleichzeitig bestätigte sich aber die schützende Wirkung vor schweren kardiologischen Schäden: relativ zur Zahl der TeilnehmerInnen mit Vorhofflimmern traten bei Omega-3-Supplementierung 15% seltener Herzinfarkte auf, und die Todesrate wurde um bis zu 12% gesenkt.

Die vorgestellte Studie wird zwar manchmal kritisiert, weil sie keine randomisierte klinische Studie ist und daher aus den gemessenen Korrelationen keine Kausalität abgeleitet werden kann. Außerdem ist denkbar, dass die Angaben zu Studienbeginn, ob TeilnehmerInnen Omega-3 supplementieren oder nicht, nicht aussagekräftig für den mehr als 10-Jahres-Zeitraum bis zur Auswertung sind. Nicht zuletzt ist auch keine dosisabhängige Auswertung möglich, die der Beobachtung ansonsten mehr Gewicht hätte geben können. Pluspunkt hingegen ist die große Zahl an mehr als 400.000 StudienteilnehmerInnen.

Allerdings ist diese prospective cohort study nicht die einzige Studie zu diesem Thema: es gibt eine Reihe an groß angelegten controlled randomized trials zu Omega-3-Supplements.

  • https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2777450
  • Die STRENGTH-Studie an 13.000 PatientInnen mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen: bei täglicher Einnahme einer hohen Dosis von 4g Fischöl zeigte sich ein um 69% erhöhtes relatives Risiko für Vorhofflimmern nach 3,5 Jahren.
  • Die REDUCE-IT-Studie mit 8.000 TeilnehmerInnen: die Versuchsgruppe erhielt 4g reines EPA pro Tag. Diese Studie beobachtete den stärksten Schutzeffekt vor Herzinfarkten, allerdings auch ein um 35% höheres Risiko für Vorhofflimmern nach knapp 5 Jahren.
  • Die OMEMI-Studie: 1000 PatientInnen, die kürzlich einen Herzinfarkt erlitten haben, zeigten ein 84% höheres Risiko, innerhalb von 2 Jahren Vorhofflimmern zu entwickeln.
    https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.052209
    Eine nachträgliche detaillierte Auswertung macht deutlich, dass aber selbst bei einer Verdopplung der EPA-Konzentration im Blut durch Supplementierung das Risiko für Vorhofflimmern nicht signifikant erhöht ist, sondern erst bei deutlich größeren Erhöhungen des Omega-3-Spiegels.
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0261561423002224
  • In der VITAL Rhythm Study konnte bei 12.000 TeilnehmerInnen in jeweils Versuchs- und Kontrollgruppe jedoch kein signifikanter Einfluss von täglicher Einnahme von 840mg Fischöl auf das Auftreten von Vorhofflimmern innerhalb von gut 5 Jahren beobachtet werden.
    https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2777469

Daneben gibt es aber auch eine Reihe an Beobachtungsstudien, die einen höheren Omega-3-Index mit einem verringertem Risiko für Vorhofflimmern assoziieren. In einer dänischen Kohortenstudie an über 57.000 TeilnehmerInnen nahm das beobachtete Risiko für Vorhofflimmern beispielsweise monoton mit höherer Omega-3-Konzentration in Fettgewebe ab. Im obersten Quintil (also den 20% Menschen mit höchstem EPA-Spiegel) war das Auftreten von Vorhofflimmern um 45% gegenüber dem niedrigsten Quintil verringert. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/eci.13649

Insgesamt scheint das Risiko für Vorhofflimmern abhängig von der Dosis an Omega-3-Supplementen zu sein; typische Dosen von bis zu 1g/Tag zeigen keine signifikant erhöhte Risiken. Gleichzeitig ist die verringerte Sterblichkeit bei Einnahme von Omega-3-Präparaten das größte Argument für eine Supplementierung. Besonders für Menschen mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko können Omega-3-Präparate eine sinnvolle Maßnahme zur Vorbeugung von Herzinfarkten sein. Eine hochdosierte regelmäßige Einnahme von mehr als 1g Fischöl pro Tag ist für gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen jedoch nicht pauschal zu empfehlen.

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